Überblick über die JHMD
Artikel von Ralf Kirion – den wir, mit seiner freundlicher Genehmigung und in aktualisierter Version hier gerne vorstellen möchten:
Ein Blick zum Nachbarn – Schmalspur in Südböhmen, die JHMD (KBS 228/229)
Ausgehend von der etwa knapp 22.000 Einwohner zählenden Berzirksstadt Jindřichûv Hradec werden heute noch 2 öffentliche Schmalspurstrecken mit einer Spurweite von 760 mm täglich planmäßig betrieben. Als erstes privates Eisenbahnunternehmen in der Tschechischen Republik hatte am 28.02.1998 die Jindřichohradecké místní dráhy a.s. (JHMD) Anlagen und Betrieb komplett von der Staatsbahn České dráhy (ČD) übernommen.
Beide Linien wurden noch zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Monarchie als Lokalbahnen zur Erschließung des landwirtschaftlich geprägten Umlandes von Jindřichûv Hradec (Neuhaus) errichtet. Den Anfang machte die südliche Strecke nach Nová Bystřice (Neubistritz), die mit einer Länge von gut 32,9 km am 01.11.1897 eröffnet wurde. Neun Jahre später am 24.12.1906 folgte dann die nördliche Linie nach Obrataň mit knapp 46 km. Beide Strecken nehmen ihren Ausgang am Vorplatz des Bahnhofes Jindřichûv Hradec der Normalspurbahn Veselí nad Lužnicí – Jihlava (KBS 225). Mit einem gemeinsamen Dreischienen Gleis nutzt die Strecke nach Obrataň 1,9 km und die Südstrecke nach Nová Bystřice auf 2,6 km die gleiche Trasse wie die elektrifizierte Hauptbahn. In Obrataň hat die nördliche Linie wiederum Anschluss an die Normalspurbahn Tábor – Horní Cerekev (KBS 224).
Der Ast nach Nová Bystřice führt durch eine waldreiche Seenlandschaft die in Tschechien als „Česká Kanada“ bekannt ist. Zahlreiche naturverbundene Urlauber und Tagesausflügler besuchen vor allem im Sommer die Region. Während im Frühjahr, Herbst und Winter im Regelfall nur ein Zugpaar mit Diesel unterwegs ist, steigert sich der Verkehr ab Ende Mai bis Ende September erheblich. Es verkehren dann bis zu 9 Zugpaaren täglich vor allem an den Wochenenden, davon bis zu drei dampfbetrieben. Eine geplante Verbindungsstrecke von Nová Bystřice nach Litschau im nahegelegenen Waldviertel(ca.15 km) wurde in Folge des ersten Weltkrieges nicht gebaut und war nach 1919 durch den Zerfall der K.u.k. Monarchie onehin obsolet.
Im Norden nach Obrataň spielen touristische Aspekte so gut wie keine Rolle. Hier ist der Nahverkehr mit dieselbespannten Personenverkehr von Schülern, Arbeitern und Bewohnern im Schwerpunkt von und nach Jindřichûv Hradec sowie im kleineren Umfang der Umsteigeverkehr auf die Normalspur in Obrataň die Hauptaufgabe der Bahn. Dampfbespannte Züge gibt es dort (Stand 2012) nur montags im Juli und August zwischen Jindřichûv Hradec und Černovice u Tábora (km 35,6). Mit dem Jahresfahrplan 2013 wurde der Zielpunkt der dampfgeführten Touristenzüge nach Kamenice nad Lipou (km 21)zurückgenommen. Der steigungsreiche und reizvolle Abschnitt ab Kamenice wird nun nicht mehr regelmäßig mit Dampftraktion befahren. Dagegen wurde der Regelverkehr deutlich beschleunigt. Zu Zeiten der Staatsbahn benötigten in den 1990er Jahren die durchgehenden Personenzüge etwas mehr als 100 Minuten für die Gesamtstrecke Jindřichûv Hradec – Obrataň. Heute wird das mehr als 20 Minuten schneller angeboten. Durch Maßnahmen wie die Ausdehnung der Abschnitte mit Streckenhöchstgeschwindigkeit von 50 km/h, Halten nach Bedarf, Sicherung von Straßen-Kreuzungen durch automatische Blinklicht-Anlagen sowie die erst kürzlich erfolgte Ausstattung der Kreuzungsbähnhöfe Lovětín (km 7,6) und Chválkov (km 30,6) mit Rückfallweichen machen die Straffung auf 78 Minuten möglich.
Güterverkehr wird noch im gesamten Netz mit aufgebockten Normalspurwagen nach Bedarf betrieben. Im Frühjahr 2012 wurden beispielsweise mehrfach wöchentlich Eaos-Wagen mit Schrott in Kunžak-Lomy beladen, was auch im Herbst 2013 beobachtet werden konnte. Leider hat ein bedeutender Güter-Kunde der letzten Jahrzehnte, das Textil-Unternehmen Jitka die Produktion 2008 eingestellt. Die Anschlussbahn (gebaut 1949 – 1952) in der Nähe der Haltestelle Jindris besteht nur noch aus der Weiche und wenigen Metern Gleis. Der Rest des ehemals 1100 Meter langen Anschlußgleises ist demontiert.
Bereits in den 1980er Jahren noch unter der ČSD-Verwaltung wurde die Strecke nach Obrataň mit schweren Schienenprofilen bei abschnittsweiser Neutrassierungen zwischen den Haltepunkten Nekrasin und Žďár u Kamenice nad Lipou im Zuge des Schnellstaßenbaues saniert.
Dies unterblieb beim Ast nach Nová Bystřice zu Staatsbahn Zeiten gänzlich. Bedenklicher Unterhaltungzustand der Strecke bei meist nur genagelten Schienen, starker Bewuchs des Oberbaus waren Zeichen für den schleichenden Niedergang. Das mündete schliesslich in der Einstellung des Personenverkehrs auf der Süd-Strecke durch die ČD am 25.01.1997. Aber schon im Sommer 1997 fuhren die ersten touristisch ausgerichteten Züge wieder nach Nová Bystřice, diese aber bereits unter der Regie der JHMD. Bei Verwendung von aufgearbeiteten altbrauchbaren Normalspur Schwellen wurden in den folgenden Jahren Ober- und Unterbau grundhaft durchgearbeitet und erneuert. Dabei wurden die vorhandenen Schienen weitgehend weiter verwendet. Der Oberbau ist heute fast gänzlich geschraubt. Im Herbst 2013 konnten auf längeren Abschnitten geschweißte Gleise vorgefunden werden (3 Schienen wurden zu jeweils einer Länge verschweißt und sind am Ende jeweils weiterhin verschraubt). So wurde im Frührjahr 2012 ein 1,5 km langes Streckenstück ab dem Bahnhof Albeř in km 30,2 komplett saniert. Hierzu wurde vom 30.03. bis zum 26.04.2012 die Strecke zwischen Hůrky und Nová Bystřice gesperrt.
Aber auch die Hochbauten wurden in erheblichem Umfang renoviert. Die noch existierenden aber meist nicht mehr genutzten Lokschuppen in Obrataň, Kamenice nad Lipou und Nová Bystřice (als Museum vorgesehen) wurden saniert und wiederhergestellt. Zusätzlich entstand in Kamenice nad Lipou ein Lok- und Wagenwerkstatt, die es der JHMD erlaubt die Untersuchung ihrer Betriebsfahrzeuge weitgehend autark von den vormaligen Staatsbahn-Werkstätten selber und damit kostengünstiger vorzunehmen. Mittlerweile führt man hier sogar als Auftragsarbeit auch die Modernisierung und Revision von Fahrzeugen für die verbliebene schmalspurige ČD-Strecke Třemešná ve Slezsku – Osoblaha (KBS 296) durch. Schließlich entstand im fernab vom eigentlichen Ort am Waldrand gelegenen Bahnhof Lovětín eine große dreigleisige Abstellhalle. Hierüberwintern u. a. auch die meisten Fahrzeuge der Dampfzüge. Nach historischem Vorbild wurde erst 2009 in Kunžak-Lomy ein Wasserhaus sowie Wasserkran und Untersuchungsgrube neu errichtet.
Die Bahnhöfe der Nord- und Südstrecke befinden sich in einen fast durchwegs gepflegten Zustand. Besonders zu erwähnen sind die behutsam renovierten Stationsgebäude auf der Süd-Strecke, die durch die JHMD in gut ausgestattete Ferien-Appartments umgewandelt wurden. Das gilt für die Bahnhöfe Střížovice, Hůrky, Kunžak-Lomy, Albeř und Nová Bystřice. Im Preis inbegriffen ist eine Fahrkarte für die Dieselzüge der Strecke nach Nová Bystřice je Gast für die Dauer der Anmietung. Eine ausgezeichneter Ansatz für die sinnvolle Weiterverwendung der historischen Infrastruktur. Bei einem mehrtätgigen Besuch die Empfehlung. Anmeldung bei der JHMD in Jindřichûv Hradec.
Auch der Fahrzeugpark wurde im Rahmen der finanziellen Möglichkeiten und Förderungen der JHMD kontinuierlich in den zurückliegenden Jahren erheblich modernisiert. Die Hauptlast des Verkehrs tragen heute die dieselelektrischen Lokomotiven der Reihe T47/ 705 (ex ČSD TU 47, ČKD 1954/1958). Von den 9 von der ČD übernommenen Maschinen wurden 4 zwischen 2002 und 2010 komplett weitgehend in der eigenen JHMD Werkstatt grundhaft modernisiert. Neben neuer Verkabelung und Steuerung wurde u. a. ein neuer Dieselmotor vom Typ LIAZ (Leistung 282 KW) eingebaut. Für den umfangreichen Dampfzugverkehr werden insgesamt 3 Dampflokomotiven vorgehalten. Neben einer Maschine der alt-österreichischen Reihe U (U37.002) hat man in Rumänien eine Reşiţa Waldbahnmaschine (Baujahr 1958 heute U46.001) sowie aus Polen mit der ex PKP Px48-1916 (Chrzanow 1953 heute U46.101) eine leistungsfähige Schlepptenderlokomotive für die schweren Personenzüge beschafft. Im Herbst 2013 wurde nach 9 Jahren Abstellzeit die Malletmaschine U47.001 (Henschel 7930/1907) durch die JHMD wieder in Betrieb genommen. Anfang des Jahres 2014 sehen die JHMD der Auslieferung ihrer massiv modernisierten und mit neuem Design versehenem Triebwagen der Baureihe M 27 (PKP-Baureihe MBxd2) entgegen.
© Ralf Kirion, 26.08.2012
aktualisiert, 26.01.2014 von Norbert Bank